Wir begrüßen Sebastian Schirmer von Quiply zu unserer Interviewreihe Nachgefragt. Bevor wir exklusive Einblicke in Quiply erhalten, sei doch bitte so nett und stell Dich unseren Lesern vor.
Sebastian: Ich bin einer der Gründer und Geschäftsführer der Quiply Technologies. Ich habe in Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Dort habe ich meinen Co-Gründer Mathias Würthle kennengelernt. Nach Jahren als leitender Angestellter hat er mich 2015 mit seiner Idee zur Gründung von Quiply infiziert. Damals hatten wir mit der Technologie noch Konsumenten (B2C) im Visier. Recht bald fiel der Groschen, dass unser Produkt im B2B Markt eine deutlich größere Lücke füllen würde. Jetzt profitieren größtenteils mittelständische Kunden verschiedenster Branchen von 50 bis 5.000 Mitarbeitern von unserer Lösung.
Einen Tag über Deine Schulter geblickt, was würden wir erleben?
Sebastian: Meistens startet mein Tag in Zürich, von wo aus ich die Schweizer Kunden mit betreue und auch privat lebe. Wann und wie ich E-Mail lese, ist vermutlich nicht so interessant für die Leser. Wenn etwas besonders ist an meinem Arbeitstag, dann ist es wohl mein Hund, der nahezu immer mit dabei ist. Der gemeinsame Auslauf hilft mir, Gedanken zu sortieren und zu entspannen. Andere meditieren oder joggen, ich bin halt auf den Hund gekommen.
Mit Quiply seid Ihr relativ neu auf dem Markt – Was macht euch anders als die alteingesessenen Anbieter? Welchen Pain Point löst Ihr bei Euren Kunden besonders gut?
Sebastian: Erstmal denken wir vom Smartphone her und das soziale Element liegt im Kern unseres Produktes. Die meisten Innovationen in der Kommunikation kommen ohne Frage zuerst aus den B2C Apps. Wir müssen dann schauen, wie wir das im betrieblichen Umfeld mehrwertstiftend einsetzen. Nicht alles, was viral oder sozial das Engagement fördert, erzeugt die Unternehmenskultur beim Kunden, die man haben will.
Mitarbeiter-Apps müssen zudem eine große, heterogene Gruppe von Nutzern überzeugen. Die App muss einfach zu bedienen sein. Die User wollen schnell Content erzeugen & teilen, so wie sie das von ihren privaten Apps her kennen. Und da wurzelt auch die Kulturveränderung in der Unternehmenskommunikation, die aus dieser technologischen Evolution herrührt: Alles wird dezentraler, die Strukturen weniger Top-Down, mehr Bottom-Up. Bei Quiply kann man je nach Unternehmenskultur und Organisationsgrad die Rechtestruktur sehr fein justieren, jeder Kommunikationsstil lässt sich in unserer App so abbilden.
Welche speziellen Bedürfnisse haben gerade mobile Mitarbeiter, die über keinen festen Arbeitsplatz verfügen und wie erfüllt Ihr diese mit Quiply?
Sebastian: Unsere App ersetzt bei den mobilen Mitarbeitern keine Software, denn es gab vorher schlicht nichts, höchstens E-Mail oder WhatsApp, sehr oft aber nur einen analogen Schaukasten. Das Intranet war weder mobil noch sozial, die mobilen Mitarbeiter außen vor. Wir helfen, dass die Mitarbeiter so gut informiert sind wie noch nie und selbst aktiv beitragen können. Dafür liefern wir in der Quiply Employee App einen starken Hybrid zwischen Messenger und sozialem Intranet. Dieser kann um produktive Tools wie Formulare, Kampagnen oder Umfragen erweitert werden. Unser Client ist sehr leistungsfähig. So kann ein Nutzer nicht nur chatten, sondern auch Beiträge in den Channels direkt mobil erzeugen.
Gibt es Unterschiede, wenn man den Markt in Deutschland mit dem in der Schweiz vergleicht?
Sebastian: Aus meinen Erfahrungen kann ich sagen, dass die Schweizer insgesamt Digitalisierung auch in kleineren Organisationen schon länger sehr ernsthaft betreiben und in bestimmten Sektoren (bspw. im kommunalen Bereich) gefühlt erheblich voraus sind. Die Schweizer haben einen hohen Qualitätsanspruch, planen und entscheiden sorgfältig. Entsprechend erleben sie seltener Überraschungen. Man ist aber auch sehr fair uns als dem Anbieter gegenüber. Wenn die Qualität in der Schweiz jedoch nicht passt, spricht sich das schnell rum. In Deutschland ist die Bandbreite nochmal größer, die Zusammenarbeit schon kulturell bedingt anders je nach Branche und Region. Aber wir mögen all unsere Kunden, egal woher sie kommen! 😊
Welche Integrationen bietet Ihr an und wo ist die Nachfrage am größten?
Sebastian: Das ist eigentlich meistens andersrum: Wir fahren gut damit, dass unsere App autark und autonom selbst läuft und im Funktionsumfang stetig wächst. Integration oder offene API mit anderen Apps wird immer nur als Pluspunkt verkauft, dabei hat es an bestimmten Stellen einige Nachteile. Aus unserer Sicht wichtige Features fügen wir deswegen lieber selbst dem Lieferumfang hinzu statt zu integrieren. Die Schnittstellenpflege fällt so weg, die Datensicherheit ist maximal hoch und wir können die App besser vorm nächsten Release testen. Natürlich verweigern wir uns dem Thema nicht, insbesondere wenn es um Nutzermanagement oder Inhaltsimporte geht. Active Directory oder SharePoint News bieten wir an, eine SAP Anbindung haben wir ebenfalls bereits im Angebot und bei Kunden realisiert.
Microsoft 365 hält in immer mehr Unternehmen Einzug. Wie ist Eure Strategie in Bezug auf Microsoft 365 und Quiply?
Sebastian: Microsoft ist sehr erfolgreich, richtig, aber eher nicht auf den Mobilgeräten, auf denen unsere App hauptsächlich läuft. Das ist für Mitarbeiter-Apps schon ein feiner, aber wirksamer Unterschied, denn wir müssen teils fast zu 90% auf privaten Endnutzergeräten akzeptiert werden und Microsoft weiß da nicht so richtig die Endnutzer zu überzeugen. Deren mobiles OS hat sich erstmal erledigt und iOS wie Android dominieren. Die Stärken liegen klassisch am Desktop und in der Cloud ist das gut gelöst, wo wir auch zu Hause sind. Uns ist die Präsenz von Microsoft im Office natürlich bewußt, es geht also um die sinnvolle Verbindung zweier Welten. Dazu unterstützen wir Produkte wie SharePoint News oder Active Directory; ein Import von Terminen aus Outlook heraus ist auch sinnvoll und bieten wir an, auch wenn wir schon ein eigenes Terminmodul standalone in der App haben.
Wenn Kunden allerdings fragen, ob Sie MS Teams oder eine Mitarbeiter-App einsetzen sollen, dann müssen wir recht klar sagen, dass der Use Case sicher nicht der Gleiche ist. Video- und Audioconferencing für Desk Worker sehen wir bei Teams als das Kernfeature, damit ersetzt Microsoft zwangsläufig Skype for Business selbst. Vielleicht nimmt es #Slack auch Marktanteile. Soziales Intranet und Messenger auf Mobilgeräten sind bei MS aber Schwächen. Das Screen Design passt nicht wirklich für einen zügigen Informationsüberblick, den mobile User wollen. Das ist auch nicht schlimm, beide Produkte leben gut zusammen in einer Unternehmensumgebung, einige sind nur bei Desk Workern wichtig, eine Mitarbeiter-App sollte aus unserer Sicht im Zugriff eines jeden Mitarbeiters im Unternehmen sein.
Welche zwei Funktionen von Quiply werden von den Nutzern am meisten genutzt? Was könnten die Gründe sein?
Sebastian: Der klassische Gruppenchat ist sicher von der reinen Aktivität her das Beliebteste, noch vor den News-Artikeln. Da waren wir im Funktions-umfang immer schon sehr gut und haben das ganze Spektrum von Video über Emojis, animierte Gifs, Sprachnachrichten, Abstimmungen, usw. parat. Das kennen die Nutzer von privaten Messengern, dass ist deswegen Pflicht für uns. Kür ist, wenn wir zusätzlich produktive Features einbauen wie echte Lesebestätigungen, Umfragen, Kampagnen oder Formulare und so betriebliche IT-Prozesse erstmals effizient abbilden für die Non-Desk-Worker und das B-Y-O-D, bspw. für HR Self Services. Die Bedienung wird uns aber trotz immer mehr Möglichkeiten von Kunden als intuitiv bescheinigt. Unbelassen davon haben wir im August das Design unserer Menüstruktur komplett erneuert, was sehr gut ankommt.
Was sind für Dich die drei wichtigsten Bausteine erfolgreicher Intranets?
Sebastian: Unsere Webseiten, wir nennen sie Channel, müssen visuell attraktiv sein und einladen, damit die Nutzer lesen und sozial interagieren. Die Struktur und Personalisierung durch zielgruppengerechte Verteilung muss gut gelöst sein. Es braucht nicht unbedingt eine kuratierte Startseite, seit Facebook & Co sind die Nutzer gewohnt in Feeds zu lesen. Die automatische Personalisierung muss sich noch verbessern. Rein technisch denke ich, dass die Analyse im Dashboard auf Dauer eine große Revolution in der Kommunikation ist. Die meisten Kommunikationsexperten kannten Ihre Intranetzugriffe früher kaum, die Zugriffszahlen waren auch nicht repräsentativ für die gesamte Belegschaft. Hat jeder den Schaukasten beachtet, die gedruckte Zeitung gelesen? Erreicht unsere Kommunikation also wirklich die Richtigen und wann? Das ändert sich durch Mitarbeiter-Apps. Nun muss jeder Autor, der News erzeugt, auf Basis dieser Daten optimieren, was, wann und wie er es schreibt, wenn gute Ergebnisse erzielt werden sollen.
Das Wichtigste bleibt und ist natürlich, so banal es auch klingt, dass der Content stimmt.
Welche Zukunftsthemen im Intranet siehst Du?
Sebastian: Intranet als Begriff wird sich nach und nach auflösen. Mit der Zunahme agilerer Unternehmenskulturen geht es deutlich mehr um interaktive Kommunikation, auch das klassische Top-Down ist passé. Mehr und mehr Content wird von den Mitarbeitern erzeugt, der dann eher redigiert neu verteilt wird oder aber vom Algorithmus bewertet wird. Das wird immer mehr ein Stream oder eine personalisierte Zeitung. Die sozialen Features müssen ausgefeilter werden, dennoch werden die Firmenleitungen die letzte Kontrolle behalten wollen.
Sicher wird die Kommunikation auch noch vieles aus der B2C Welt ausprobieren, ob man es bspw. auch a la TikTok machen kann. Und da ist man technisch schnell nahe dran allen Themen mit KI, was ganz praktisch bei uns gerade mit Inline Translation getestet wird. Das ist schon faszinierend, wenn der Babelfisch Realität geworden ist.
Vor Kurzem habt Ihr Venture Capital erhalten, wie wollt Ihr dieses investieren?
Sebastian: Wir haben das Kapital bekommen, weil wir wachsen wollen und haben direkt in tolle Mitarbeiter investiert. Wir verstärken sowohl Produktentwicklung als auch Marketing, aber auch das Customer Success Team, das unseren Kunden persönlich hilft, das Maximum aus dem Produkt zu holen. Mit der Investition sind wir schon jetzt stark gewachsen, aber wir sind deswegen kein fremdgesteuertes Investmentvehikel geworden, sondern bleiben ein inhabergeführtes, mittelständisches Unternehmen. Und als solches stehen wir Gründer den Kunden gegenüber auch in Zukunft persönlich für das Produkt ein.
Abschließend: Was ist Eure Produktstrategie für die Zukunft? Wie geht es weiter?
Sebastian: Das Tempo wird sich merklich erhöhen, denke ich. Wir haben Anfang 2020 sehr darauf geachtet, dass unsere App weniger Ressourcen braucht und auch auf schwächeren Smartphones ebenfalls gut läuft. Dann kam Corona und die Nachfrage hat uns intern ziemlich durcheinander gewirbelt. Wir haben nützliche Features im Roll-Out wie Benutzerführung einfach ganz schnell implementiert. Jetzt kommt wieder etwas mehr Ruhe rein und die geplanten Features werden jetzt kontinuierlich freigegeben. Unsere Kunden haben Wunschlisten, da halten wir uns ein stückweit dran, aber alles weitere ist noch ein Geheimnis.
Vielen Dank für die Einblicke und das spannende Gespräch 👌